Spielberichte SfrOIII

Ein Saisonabschluss wie aus einer dramatischen Komödie – Schachfreunde Ochtendung III gegen Grafschaft II

Am vergangenen Sonntag, dem 31.03.19 spielte die dritte Mannschaft Ochtendungs als Tabellenzweiter gegen den Tabellenersten Grafschaft II um den B-Klasse Titel bei der zentralen Endrunde in Ochtendung. Beide Teams waren punktgleich und nur die Feinwertung der Brettpunkte, in der die Grafschaft genau einen Punkt vorne war, entschied die Platzierung. Die Motivation war auf beiden Seiten sehr hoch, da die zwei Kontrahenten sich bei einem Sieg dem Aufstieg in die A-Klasse sicher sein konnten. Daher begann der Kampf nicht erst an den Brettern, sondern schon in der Vorbereitung auf den am wahrscheinlichsten errechneten Gegner und mit der Platzierung der eigenen Spieler. Am Ende beschloss man Niklas Roth an Brett 1 gegen Timo Schröder, sowie Leon Barz gegen Konrad Langner an Brett 4 standardmäßig stehen zu lassen. An Brett 2 und 3 nahm man nun das erste Mal in der Saison eine Änderung vor, da Nikita Hess (sonst Brett 3) nun an 2 gegen Thorsten Kammer (1975 DWZ) gesetzt wurde und Aljoscha Böhm an Brett 3 gegen Elisa Naumann spielte. Thorsten Kammer, der fast 800 DWZ mehr als der Durchschnitt der Liga besaß und somit der stärkste Spieler der B-Klasse war, galt als gefürchtet und sicheren Verlustpunkt. Dieser Verlust sollte laut Theorie der Mannschaft mit einem Gewinn Aljoschas und Leons an 3 & 4 ausgeglichen werden, Niklas sollte remisieren. Doch wie in einem Drama verlief nichts nach Plan und alte Fehler der Vorgänger wurden wiederholt.( → Verweis auf die 4:0 Niederlage der 2. Mannschaft im Vorjahr, ebenfalls um den Titel und auch gegen dieselbe Mannschaft)

Niklas und Aljoscha wählten mit Weiß dieselbe Eröffnung, das Londoner System, mit welchem beide schon große Erfolge verzeichnen konnten. Die Komik des Spieltages wurde schon einmal dadurch erzeugt, dass an Brett 1 & 3 bis zum fünften Zug exakt dieselben Züge aufs Brett kamen, was zur Erheiterung aller führte. Nach dem sechsten Zug entstanden dann letzten Endes doch noch zwei verschiedene Spiele mit verschiedenen Ansätzen. Niklas entschied sich für den passiven, aber strategisch interessanten Zug h3, der mögliche Besetzungen des Feldes g4 verhinderte (im Londoner-System ein unter anderem nicht zu unterschätzender Punkt). Aljoscha wählte den Entwicklungszug Sd2 und akzeptierte Sh5 mit einem folgenden Leichtfigurenabtausch und der Öffnung der H-Linie.

Im weiteren Spielverlauf übersah der strategisch sonst dominierende Spieler Niklas Roth eine Taktik, die ihm eine geöffnete Königsstellung und einen Minusbauern verschaffte. Danach hatte er ein Problem mit der Entwicklung seines Springers b1 und dem drohenden Turmverlust. Nach weiteren Materialverlusten (Läufer gegen Turm) konnte Timo Schröder die Partie konsequent in einen Sieg für die gegnerische Mannschaft verwandeln.

An Brett 2 konnte Nikita zunächst lange dem übermächtigen Gegner entgegenhalten und entwickelte sich einigermaßen plangemäß. Die ersten Abweichungen entstanden durch starke positionelle Spielführung seitens Thorsten Kammers, der die Rochade Nikitas verhinderte und einige Schwächen am Damenflügel erzeugte. Als Thorsten Kammer plötzlich seinen Springer auf ein von Bauern bedrohtes Feld setzte, konnten alle Beobachter ihren Augen nicht trauen. War es wirklich möglich? Hat der absolute Favorit einen groben Patzer gemacht oder vielleicht irgendetwas übersehen? Ich muss alle enttäuschen. Nein, hat er nicht. Was im ersten Moment nach einem sinnlosen Opfer aussah, war auf den zweiten Blick eine vollkommen geplante und unausweichliche Demolierung des schwarzen Zentrums mit Folge von Materialgewinns für Thorsten Kammer. Im Falle des Akzeptierens des Opfers hätte eine Bauerngabel einen Turm erobert. In kleinen Abänderungen kam es so dann auf das Brett. Nach vielen Zügen war hier ein deutliches Ende abzusehen und das Spiel wurde ohne weitere Fehler zu ende geführt. Das Ergebnis, vorhersehbar, aber doch nicht erhofft, war die Niederlage Nikitas.

An Brett 3 konnte Aljoscha durch einen leicht riskanteren Weg und vielen kleinen Ungenauigkeiten von Elisa Naumann eine eigentlich leicht im Minus stehende Stellung zum Ausgleich bringen. Positionell hatten beide noch viele Chancen, aber nach nur zwanzig Zügen und schon 2 ein-halb Stunden Spielzeit ließ die Konzentration langsam nach. So übersah Elisa eine Springergabel und Aljoscha war es vergönnt nach vier Stunden größtenteils konzentriertem Schach den ersten Sieg für Ochtendung III zu erreichen.

Brett 4 war am kürzesten zu beobachten, auch wenn nicht minder interessant. Leon übersah relativ zu Anfang einen Springerabzug der die Dame kostete. Doch durch eine schwache Positionierung der gegnerischen Dame im eigenen Lager und aggressivem Spiel des Ochtendungers gelang es die andere Dame ebenfalls zu gewinnen. Dafür musste er von da an mit einem Turm weniger spielen, den er für die Dame opfern musste. Der schwarze Bauer wurde weit vorgerückt und durch die Doppeldeckung Bauer-Läufer entstand eine Chance dauerhaft gefährlich zu bleiben. Durch ungeschickte Abtausche des Gegners sah die Partie dann doch noch nach einem Sieg aus, aber ein Rechenfehler veränderte wieder alles und so ging auch Brett 4 an den Gegner.

Folglich konnte man nicht das Schicksal abwenden, welches im letzten Jahr Ochtendung II den Titel kostete. Die Mannschaft erlag zu hohen Erwartungen an sich selbst und der souveränen Leistung der Gegner. Die gewisse Komik des Tages entstand auch durch die falsche Einschätzung der Turnierleitung: Der Pokal war schon im Vorhinein mit einem Schildchen mit der Aufschrift „Ochtendung III- B-Klasse Meister 2018/19“ versehen…

Eine 3:1 Niederlage ist vielleicht nicht das was man sich nach einer Saison mit fast ausschließlich Siegen erhofft hatte und auch nicht das was man von der eigenen Leistung erwartete. Trotzdem kann die junge Mannschaft mit Zuversicht in die Zukunft schauen, da auch der 2. Platz, die bis dato erfolgreichste Saison der Mannschaft in der B-Klasse krönte. Ochtendung II (3.Platz) wurde wider aller Erwartungen nach der Niederlage doch noch abgehängt und auch andere anfängliche Favoriten wie HTC Bad Neuenahr II und SV Urmitz II wurden weit hinter sich gelassen.

Der Aufstieg in die A-Klasse wäre mit dem 2. Platz ebenfalls möglich, ist aber von der Mannschaft zur Zeit kritisch gesehen. Die Niederlage hat zum Einen eine anscheinend immer noch existierende Unsicherheit der Mannschaft offen gelegt, die man erst einmal mit einem wirklichen Erfolgserlebnis, wie dem Meistertitel, ablegen möchte. Zum Anderen zeigt der zweite Platz das unheimliche Potenzial der Mannschaft und die große Einigkeit der vier. Leon Barz, Aljoscha Böhm, Nikita Hess und Niklas Roth fungieren schon seit 2011 als eingeschweißte Mannschaft und demonstrieren mit ihrem stetigen Auftreten, dass eine gemeinschaftliche, freundschaftliche und immer spaßige Atmosphäre die Lust am Spiel aufrecht erhält und Leistung steigert.

Text: Aljoscha Böhm

Foto: Patrick Bast